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KUNSTKRITIK
ELKE DAEMMRICH
Bernd Rosner, Philosoph und Kunstwissenschaftler Berlin Text zur Einzelausstellung " Elke Daemmrich - peintures et gravures " Galerie 100 - Berlin, 5. Februar bis 12. März 2014 Elke Daemmrich, in Dresden geboren – dort auch aufgewachsen – hat vor über zwanzig Jahren den Süden Frankreichs zwischen Provence, Languedoc, Cote d´Azur und Gascogne – um Toulouse, Albi und Montauban – als ihre zweite Heimat entdeckt. Es ist die Mediterranée – sind die mittelmeerischen Gestade – von der jener Zauber des Lichtes, der Farbe, der leichten Lebensart, der Düfte und Gerüche nach Lavendel, Knoblauch, Salbei und Thymian, der Geschmack von südlichen Früchten, einer einfachen aber delikatesten Küche ausgeht. Himmel und Meer, die Feste der Sonne, die oft hügelige, manchmal sogar karge Landschaft der Pinienwälder und Olivenhaine, die von Zypressen begrenzten Wege und Weinfelder, die alten Städte und Dörfer, ihre Stierkampfarenen sind der Rahmen und Hintergrund eines anderen, besonderen, bedeutenderen Lebensgefühls und – im Falle der Künstlerin – der Ursprung eines ebenso besonderen ästhetisch-kreativen Weltverhältnisses als Quelle ihrer Kunst. Dieses Savoir Vivre, um das die Tüchtigkeitsfetischisten nördlich der Alpen die romanischen Kulturen sowohl beneiden und bewundern, aber auch verdächtigen und mitunter fast verachten; das Laissez faire, Laissez aller – das „Leben und Leben lassen“, das Sein als überreiches sinnlichstes Geschenk der Natur, als Gegebenes anzunehmen - das ist „das Einfache, das schwer zu machen ist“. Es lässt die Künstlerin in souveräner Weise und mit diffizilem Blick, der durchaus im doppelten Sinne von Außen kommt – welcher trotz Sympathie, Nähe, Hingabe zum südlichen Lebensgefühl ein deutscher bleibt, hinter die Oberflächen schauen. Im Aufscheinen von Schönheit, von Farbe, Form, Klang, Wohlgestalt und Daseinsfülle verhandelt sie Weltprobleme. In den Bildern, die überquellend die Flora und Fauna, die Pflanzen, Früchte und Tiere Südfrankreichs, des Mittelmeerraumes zeigen, erscheint das Weltganze, gar ein Grundverhalten (-und Verhältnis) von Materie und Energie, des sinnlich Stofflichen, der Substanzen und wirkenden Kräfte. Es flirrt, sirrt, zirpt und singt – die Zikaden, Bienen, Hornissen, Libellen – und doch ist es mehr als nur das: ein Gleichnis und ein Verweis auf Tieferes, Elementares. Die Schönheit der leuchtenden Farben – ein Leuchten, das von Innen zu kommen scheint-, die Harmonie des kompletten Farbkreises (Rot, Blau, Gelb – die feinen Grüns und satten Violetts), welche in ihrer Malerei den Grundklang ausmacht, birgt Ambivalenzen, Zwei- und Mehrdeutigkeit: Lust/Freude wie auch Warnung/Bedrohung. „Das Schöne ist des Schrecklichen Anfang“ sagte Rainer Maria Rilke. Die Magie der Farbe erscheint hiermit als der Welthintergrund, als Matrix – auch wir existieren in einem Schwingungsraum, das Licht – als besondere elektromagnetische Welle, seine Farbigkeit als Varianten und Verschiebungen seines Spektrums – ist der einzige Bereich zu dem wir direkten Zugang haben, von Unsichtbarem umgeben. Gerade jene urfranzösische Synthese, das Zusammenklingen von Nüchternheit, Klarheit, Rationalität und Sinnenlust und Opulenz, von Skepsis und Seinsvertrauen, von Raffinement und Lebensart öffnet diesen Spannungsraum, in dem auch die Kunst von Elke Daemmrich ihre Bedeutung erhält. Ihre Bilder sind deshalb auch keine „klassischen“ Kompositionen mehr, auch kein L´art pour l´art. Die gobelinartigen Malereien verweisen auf Fundamentalstrukturen, die, ohne kopflastig, bloße Theorie, Mathematik, Geometrie zu sein, auf elementare Wirkungen zielen. Sie scheinen in sich verwoben, reich strukturiert, sind aber nicht bloß ornamental, stilisiert zum Zwecke einer nur dekorativen Wirkung, nur reiner Augenlust dienend. Sie sind darin anders und viel mehr als das: Tiefer, als sich nur dem Eindruck hingebend – also kein Impressionismus als ein bloßes Schwelgen im Erleben. Es handelt sich bei den Bildern von Elke D. aber auch nicht um Expressionismus, so kräftig die Farben und so raumgreifend die Formen sind. Vielmehr ist diese Kunst in einer lebendigen Spannung zwischen dem unwirklich Wirklichem und einem wirklich Unwirklichem, Phantastischem angesiedelt: Surrealistisch, (nach-)strukturalistisch – aber ein Surrealismus ohne das dämonisch Verstörende, Albtraumartige eines Max Ernst oder Salvador Dali. Dahinter steht durchaus französische Geistigkeit zwischen Blaise Pascal, dem melancholischen Spötter mit seinen Pensées („Gedanken“ – was im Französischen auch „Stiefmütterchen“ und „Dunkelviolett“ heißt und in den Blumenbildern Elke D.s als solche erscheinen) und Georges Bataille, dem Dichter und Denker des Obszönen und Erhabenen (dem die Künstlerin ebenfalls ihre Aufmerksamkeit widmet – im Sinne auch seiner „Heterologie“ – der Lehre von der Vielschichtigkeit und Verschiedenartigkeit alles Seienden), und nicht zuletzt Michel Foucault mit seiner „Heiterkeit im Schrecken“ als einzig gelungener und aufrichtiger Daseinsform und dem Ende der Möglichkeit von Repräsentation, der Erkenntnis einer grundlegenden Differenz von Zeichen und Gezeigtem (den „Dispositiven der Macht“ als einer „Kartografie“ des Daseins). Hier berühren wir auch in fast allen ihren Werken, den Bildern und Blättern Elke D.s, im Furor ihrer Farben, der Dichte – dem „Horror Vacui“ – ihrer Formenwelt das Spannungsfeld des Lebens: in seiner Schönheit, seinem Überschwang und seiner Entsetzlichkeit überhaupt; also schlichtweg dem Wirken des Organischen, Lebendigen als Mysterium. Dieser Elan vital (nach Henri Bergson), der innere Drang des Lebens da zu sein, zu streben, zu wachsen, zu gedeihen zeigt seine zwei Gesichter: Das Faszinierende wie das Furchteinflößende, das Staunen Machende wie das Respekt Gebietende, Scheu wie Entsetzen Auslösende. Kurz: Es zeigt sich das Rätsel des Seins – etwas, das schon immer auch die Kunst eines gewissen Ranges ausmachte. Albert Schweitzer sagte einmal, dass das „Buch des Lebens“ Schönheit, Güte, Freude, Heiterkeit ausstrahlt, solange man es nicht aufschlägt. Tut man es doch – das heißt: stellt man sich den Gründen, Tiefen und Wirken unseres Daseins – so erblickt man neben dem Mit- stets auch ein ewiges Gegeneinander, ein „Fressen und gefressen Werden“ – „des Einen Vorteil ist der Nachteil eines Anderen“ –, einen „Krieg aller gegen alle“ getragen vom Wunsch allen „Lebens, das inmitten von Leben leben will“. Elke Daemmrich zeigt uns dies unmissverständlich, jenes Mit- und Gegeneinander als Lockung, Tarnung und Täuschung, als Mimikry und Camouflage; das „geheime Leben der Pflanzen“ (La vie secrete des Plantes), das „Glück (und Leid) der Tiere“ – Metabolismus und Metamorphose, die Wandlungen und das sich gleich und treu bleiben, seinem Programm, dem „genetischen Imperativ“ folgend. Die Bienen (Les Abeilles), Hornissen (Frelons), Zikaden (Cigales), die Libellen (Libellules), Schmetterlinge (Papillons), der Hirschkäfer (Cerf-volant), die Gottesanbeterin (Mante religieuse), die Früchte, Pflanzen und andere Tiere des Mittelmeerischen erscheinen als ein Wunder von faszinierender Schönheit und zugleich als monströse Wesen und Gebilde – gnadenlos heiter, strahlend das Fest des Lebens feiernd und das Spiel des Todes spielend. Aber das ist den mediterranen Kulturen wohl seit langen Zeiten vertrauter, wird von diesen als selbstverständlicher angesehen als von unseren nördlichen, den „idealisch-technokratischen“, dem derzeitig global dominierenden puritanisch und zugleich gierig effizienzorientierten angloamerikanischen Lebensstil, dessen dunklen Seiten, seine Riskiertheit und Riskanz, die Künstlerin zum Beispiel in ihren Graphiken (Kupferätzungen) zu aktuellen Zivilisations- katastrophen – Irak, Fukushima, das Kentern der „Costa Concordia“ – als Preis und Folge menschlicher Gier und Überhebung, der Hybris eines Machbarkeitswahns erscheinen lässt: Der (post-)moderne Mensch zwischen „Homo faber“ und „Homo oeconomicus“ hat sich den toten Dingen, einer sich offen beschleunigenden Anhäufung von Waren und Artefakten, eines Verbrauchs und irreversiblen Vernutzung von Ressourcen, der „schöpferischen Zerstörung“ seiner Lebensvoraussetzungen endgültig verschrieben. Eine Kunst wie die von Elke Daemmrich versucht sich dem zu entziehen und zeigt die Alternativen, welche nicht zuletzt auch eben in den alten Kulturen und Geschichten der Länder des Mittelmeeres – der Provence, der Pyrennäen, der Cote d´Azur, in der Kunst Paul Cezannes, den Geschichten von Alphonse Daudet bis Marcel Pagnol, in der Farbe und dem Klang, im Wirken eines sinnlich wie sinnvoll erfüllten Lebens liegen. Es ist die Möglichkeit eines starken Daseins, das die Künstlerin vorführt und vorlebt; eine Präsenz von Schönheit und Sinn, von Gütigkeit, Empathie und Lebenslust im Wissen um ihre Vergänglichkeit. zurück Gabriele Muschter, Kunstwissenschaftlerin Berlin Text zur Einzelausstellung " Elke Daemmrich - Mittelmeer trifft Schweinfurt " SalonG - Kunsthalle Schweinfurt, 4. April bis 4. Mai 2014 „Mittelmeer trifft Schweinfurt“ so der hintergründig anmutende Titel dieser Ausstellung. Also habe ich versucht im Internet herauszufinden, was denn Schweinfurt mit dem Mittelmeer zu tun haben könnte und bin dabei immer bei Werbetexten von Reisebüros gelandet. Dann habe ich probiert, etwas mehr über die Geschichte der Stadt Schweinfurt zu erfahren. Im vergangenen Jahr gab es hier schon einmal eine Ausstellung mit dem Titel „Main und Meer“. Bei kurzer Recherche lässt sich dann im weiten Sinne doch ein Zusammenhang finden: Der Main fliesst von alters her den Weltmeeren zu, und vom Meer und seiner reichen Natur handeln auch die Bilder der Ausstellung von Elke Daemmrich. «Das Geheimnis des Lebens liegt in der Suche nach Schönheit.» Dieser Satz von Oscar Wilde gilt programmatisch für die Kunstwerke von Elke Daemmrich. Die Ausstellung ist ein Fest der Farbe, der Lebensfreude und des glücklichen Erlebens der Natur. Zugleich aber sind die Bilder vielschichtig bis ambivalent in ihrer Botschaft an die Menschheit, die sich heute immer weiter und immer schneller von der Natur entfernt. Der mehrfache Blick auf die Welt zeichnet die Künstlerin aus – da ist die Wahrnehmung der Realität, da ist die tiefe Beziehung zur Natur und in dieser Ausstellung besonders zur Meereswelt und da ist schließlich das Erleben von visionär-künstlerischen Momenten. Elke Daemmrich, 1964 in Dresden geboren, ist einen eignen Weg außerhalb der Kunsthochschulen, Akademien, Künstlerverbände gegangen. 1993 bekommt sie ein Stipendium der Stiftung Kulturfonds Berlin, für ihr Projekt "Das Licht des Südens". Das beinhaltete einen sechsmonatigen Arbeitsaufenthalt in der Provence, in Lacoste. Ein Jahr später, also 1994, zieht sie von Dresden nach Tournecoupe, einem kleinen Ort bei Toulouse. Hier, in Südfrankreich, scheint sie ihren Lebensmittelpunkt gefunden zu haben. Solche Farben kann man nur in einer solchen Landschaft und Umgebung finden. Da kommt so vieles zusammen: Das Licht, die reiche Tier- und Pflanzenwelt, die Leichtigkeit des Seins. Schon seit der Renaissance bis hin zur klassischen Moderne und der Kunst der Gegenwart haben Künstler Landschaft und Lebenswelt, Flora und Fauna des Mittelmeerraumes bewundert und als Anregung für ihre Kunst genutzt – da sind nicht nur Michelangelo und Leonardo da Vinci zu nennen, sondern in der Neuzeit auch Vincent van Gogh, Paul Gauguin, Paul Cézanne, Pablo Picasso, Henri Matisse und … (- die Reihe ließe sich fortsetzen). Es kommt in Ausstellungen ja eigentlich immer darauf an, das Besondere gerade dieser Art von Kunst herauszufinden. Man will etwas erfahren, was man so nur hier erfahren kann. Was ist das bezogen auf die Bilder von Elke Daemmrich? Dass sie von leuchtend-starker Farbigkeit sind, dass sie detailgetreu gemalt und auf den ersten Blick in eine Art Phantasiewelt entführen – sieht jeder. Aber was noch, was macht die Bilder darüber hinaus so faszinierend? Da wäre noch die ewige Sehnsucht der Nordländer nach dem Süden zu nennen – nach dem Sonnenlicht, dem strahlend blauen Himmel, der Kraft der Vegetation, der Lebendigkeit der Tier- und Pflanzenwelt, nach der Wärme, die auch Geborgenheit bedeutet. Die Lebensart anderer Völker – wie zum Beispiel der Franzosen. Für mich ist das Eigentliche an diesen Bildern die Art der Freiheit. Es liegt ihnen ein seelenvoller Freiheitsbegriff zu Grunde – fernab enger Zivilisationsregeln. Diese Bilder assoziieren ein Aufatmen – so als hätte man lange die Luft anhalten müssen und kann endlich wieder frei atmen oder so als würde man sich abwenden von dem Gefühl sich immerzu mit anderen vergleichen und sich fragen zu müssen, ob man noch gut genug ist für dieses Leben. Davon sind die Werke weit entfernt. Also frei sein – im Sinne unabhängig von allen Geldverhältnissen und dem marktschreierischen Geschehen eines manipulierten Alltags mit seinen vielen Scheinnotwendigkeiten und den dringlicher zu lösenden ernsthaften existenziellen Verfehlungen einer menschengemachten Weltentwicklung, in der das Prinzip maßlosen Wachstums zur neuen Gottheit erhoben wurde aber niemand weiß wohin das alles führen wird. Das war natürlich schon immer so aber mit den heutigen technischen Möglichkeiten wird es auf nie dagewesene Weise lebensbedrohlich. Die scheinbar leichten, fast unbeschwerten Bilder von Elke Daemmrich zielen auch auf den Widerspruch zwischen Ratio und Emotio, zwischen Aufbau und Zerstörung, zwischen – wie es Alfred Döblin nennt – „Mensch als Stück und als Gegenstück der Natur“. Insofern ist sie eine kritische, politisch-hintergründige Künstlerin. Sie klagt nicht an – ihre Bilder sind Feststellungen und Angebote, sie rufen in Erinnerung, welch großartiges Geschenk die Natur ist, wieviel Glück man gerade aus ihr erfahren kann. Der paradiesische Garten Eden kommt in Erinnerung – diesmal am Beispiel der Meerespflanzen und -tiere, der uns weniger vertrauten Unterwasserwelt. Da scheinen Gedanken darüber auf, wie wir – die Menschen – seit Jahrhunderten damit umgehen – wie zugleich fremd und vertraut uns das ist, von dem wir ein Teil sind. Der französische Dichter Lautréamont beschreibt das so: „Wenn der Fuß über einen Frosch gleitet, dann empfindet man Ekel; berührt man dagegen den menschlichen Körper nur ganz leicht mit der Hand, dann springt die Haut der Finger auf wie die Schuppen von einem Glimmerblock, den man mit dem Hammer zerschlägt; und wie das Herz eines Hais, der seit einer Stunde tot ist, noch auf der Brücke mit zäher Lebenskraft zuckt, so bewegen sich unsere Eingeweide noch lange nach der Berührung bis in die letzten Fasern.“ Der Dichter schildert das ewige Spannungsverhältnis zwischen Fremdsein und Vertrautheit, zwischen vermeintlicher Kenntnis und Angst vor dem Unbekannten. In Elke Daemmrichs Bildern findet man mehr die Vertrautheit und die Ehrfurcht vor den Erscheinungen der Natur, so zum Beispiel in dem 2010 entstandenen Gemälde mit dem Titel „Octopus“ oder dem Bild „Gorbio 1“, Öl auf Leinwand, 2012. Das Maritime gilt der Künstlerin als wichtiger Quell für ihre Motive. Die in der Vergangenheit bedrohlichen Mythen und Metaphern sind in ihren Bildern weniger zu finden. Hier dominiert mehr die Entdeckerfreude an den bisher verborgenen Geheimnissen des Meeres und seiner Bewohner mit den vielen Symbiosen zwischen Wasser, Tier und Pflanze. Die bizarren Formen spiegeln sich in überbordenden Farben wieder und assoziieren Feste, Feierlichkeit aber auch Ahnungen von einer Wandlung der paradiesischen Schönheit in eine zerstörte Unterwasserwelt – die Vertreibung aus dem Paradies durch den tatsächlichen Sündenfall – den rücksichtslosen Umgang des Menschen mit der Natur, dem Raubbau, der Aggression gegenüber anderen Lebensformen. Der tschechisch-französische Philosoph Vilém Flusser (1920-1991) beschreibt im Vorwort seines Buches "Vampyrotheutis infernalis", dass der Mensch Kraken, Kalmare und Tintenfische zu den Ekligsten aller Geschöpfe zählt. In Fabeln und Mythen werden immer wieder die Schrecken von „Meeresungeheuern“, von den tosenden, alles verschlingenden Meereswellen beschrieben, die sich im Innersten menschlicher Ängste festgesetzt haben. Solches findet sich mitunter in den Bildern von Elke Daemmrich auch – hier ist tiefe Bewunderung für die Fülle des Daseins verbunden mit der Unheimlichkeit allen Existierens. Fast scheint es wie eine seelenhafte Verbindung, ein ganzheitliches Naturverstehen. In dem schon erwähnten Gemälde „Gorbio 1“ ist ein typisches provencalisches Bergdorf gezeigt. Es liegt zwischen den südlichen Orten Roquebrune und Menton am Mittelmeer und Sainte-Agnès, einem nordöstlich liegenden weiteren Bergdorf in den französischen Seealpen. Aber wie malt es Elke Daemmrich? Die gebaute Situation scheint eingebettet in die Meerlandschaft im Hintergrund. Von der Atmosphäre her hat mich das Bild an Cezannes Landschaftsgemälde erinnert aber auch an den naiven Blick des Malers Henri Rousseau – vergleichbar scheint mir die Poesie des Bildes und der Wechsel zwischen Naivität und Klarheit der Bildsprache. Es sind Verkörperungsformen zwischen Abstraktion und Realität. Ein künstlerischer Stil, der von fein detaillierter Naturerkenntnis Es sind Verkörperungsformen getragen ist. Wir leben in einer Zeit der Revivals und der Wiederentdeckungen. Die klassische Moderne verlor seit Anfang der siebziger Jahre die Kraft für Neuentdeckungen. Bereits 1917 hatte Marcel Duchamp mit seinem Objekt „Fountain“ neue Türen für die Kunst aufgestoßen. Der Streit, ob das ein neuer Anfang oder das Ende der Kunst sei, ist bis heute nicht entschieden. Auf alle Fälle hat die Kunsthaltung von Duchamp zu zahlreichen Missverständnissen und Plagiatsversuchen geführt. Mit all dem hat die Malerei von Elke Daemmrich nichts zu tun. Sie hat einen sehr eigenen künstlerischen Weg gewählt. Ihre wundersamen Bilder entstanden – ohne Studium an einer Kunsthochschule oder vielleicht gerade deshalb. Die Bilder sind getragen von konkreter Information, einem neuartigen, intensiven Denken, vor allem aber von innovativer Öffnung gegenüber allem kreatürlich Existierendem. Das heute so zu thematisieren wie es Elke Daemmrich in ihren Gemälden tut, ist kaum zu finden. Assoziationen an Wasser als Ressource, an vom Menschen gemachte Naturkatastrophen, an die Klimaentwicklung und vieles mehr – stellen sich von selbst ein. Das ist im besten Sinne des Wortes wohl das, was man positives Denken bzw. im Fall von Elke Daemmrich positives Gestalten nennt. Es gibt noch einen anderen Aspekt, der bezogen auf das Werk dieser Künstlerin erwähnt werden sollte: Das ist die Verbindung zwischen Kulturgeschichte und Naturwissenschaft, die zu ihrem selbstverständlichen Vokabular zu gehören scheint. Die Bilder – voll üppiger Vegetation drängen über ihre Ränder hinaus in den Raum. Nirgendwo gibt es eine leere Stelle. Sie sprengen die Fläche. Aus einer Art Unterwasserkosmos entsteht eine eigene Schöpfungsgeschichte, die sowohl mit literarischen, architektonischen wie mit biologischen Er-Kenntnissen zu tun hat. Gezeigt werden organische Wandlungsprozesse. Dabei sind die einzelnen Elemente nicht gleichrangig dargestellt – das Geschehen auf einem Bild ist manchmal so dramatisch wie die Naturgeschichte selbst, zwischen Fressen und Gefressen werden, zwischen Aufblühen und Vergehen, zwischen stark und schwach. Die Künstlerin übersetzt ihre seelischen Erfahrungen in schöpferische Ursprünge. Ihre Bilder öffnen sich wie Fenster zum Meer. Über Bilder zu sprechen heißt auch, sie dem Betrachter nahe zu bringen, auf Besonderheiten aufmerksam zu machen, sie in einen kunsthistorischen Kontext zu stellen. Da gibt es mitunter Wahlverwandtschaften, die aber die eigene Leistung der Künstlerin, des Künstlers nicht schmälern, sondern durch Hintergrund- information den Zugang erleichtern sollen. Bei Elke Daemmrich fielen mir spontan zwei Namen ein: Henri Rousseau und Paul Cezanne – mit diesen beiden scheint sie eine innige Beziehung, ja Aufnahme der Natur zu verbinden. Dennoch wird jeder Betrachter einen eigenen Zugang suchen und finden. Deshalb möchte ich mit einem Satz aus dem Hyperion von Friedrich Hölderlin schließen: „Glaube mir und denk, ich sag’s aus tiefer Seele dir: die Sprache ist ein großer Überfluss. Das Beste bleibt doch immer für sich und ruht in seiner Tiefe, wie die Perle im Grund des Meeres.“ zurück Jill Conner, Art Critic/Writer, Curator, New York, NY Elke Daemmrich won the Jill Conner Critic's Choice Award in the Manhattan Arts International New York "Celebrate The Healing Power of ART" juried competition, 2013, for her copper engraving "Bees". "Elke Daemmrich’s eloquent copper engraving “Bees” brings viewers up close to an evolving environmental issue that is currently central to sustainability. Daemmrich presents these vibrant insects within a nest of honeycomb and from multiple perspectives. The artist’s detailed renderings are so specific, layered and mesmerizing that the lack of color becomes an afterthought. The circular rhythm of representation keeps the eye moving throughout, examining bees up close and at a distance. Elke Daemmrich’s utilization of mixed perspectives give rise to an awareness of a life so miniscule yet profoundly significant. For Daemmrich, the truth is in the details." (Jill Conner is founder of AS | ARTISTS STUDIOS. She is also the New York Editor of Whitehot Magazine, Editor of On-Verge as well as a contributor to Afterimage, ArtUS, Art in America, Interview Magazine, Performance Art Journal and Sculpture Magazine. She has provided editorial assistance to Dorothea Rockburne.) zurück Prof. Dr. Brigitte Rieger-Jähner Text zur Einzelausstellung " Paradies und Apokalypse " Galerie im Malzhaus, Plauen, 1. Februar bis 3. März 2013 Paradies und Apokalypse scheinen sich auf den ersten Blick ebenso auszuschließen wie Himmel und Hölle. Aber dennoch sind beide nicht nur untrennbar miteinander verbunden, sondern auch aufeinander bezogen. Von diesem Dualismus künden die Bilder und Grafiken von Elke Daemmrich. So paaren sich auf ihnen heitere Unbeschwertheit, die von der Leichtigkeit des Seins geprägt worden zu sein scheint, mit schwerblütiger, existenzieller Infragestellung. Nicht zuletzt manifestiert sich hier die Doppelkodierung von französischem und deutschem Formenbewusstsein, von Rationalem und Irrationalem, Sinnlichem und Verstandesmäßigem. Diese Tag- und den Nachtseiten des Lebens weis die Künstlerin dabei auf einzigartige Weise symbiotisch miteinander zu verbinden. Doch vor allem beeindrucken ihre Arbeiten durch die intensiv satte und zugleich heitere Farbenpracht, verbunden mit der ihr eigenen dekorativ opulenten Formenfindung. Der Auslöser hierfür war ein Stipendium der Stiftung Kulturfonds Berlin, das 1993 einen halbjährigen Aufenthalt in der Provence nach sich zog und bei der Dresdnerin dazu führte, ihren Lebensmittelpunkt nach Frankreich zu verlegen. Ab 1994 und damit seit 18 Jahren lebt sie so bei Toulouse in Südwestfrankreich. Hier ist es vor allem das gleißend helle Licht des Südens verbunden mit der Wärme und einer üppigen Vegetation sowie das Leben in relativer Einsamkeit mit und in der Natur, das ihr immer wieder von neuem Kraft für die Arbeit gibt und dieser zugleich eine Intensität verleiht, die eine unverwechselbare Note besitzt. Aber nicht nur die Gemälde sondern auch ihre Radierungen und Kupferstiche besitzen diese formale Kraft, die immer mit einem geheimnisvollen inhaltlichen Geschehen verbunden ist. Seit 1997 entsteht so Druckgrafik, die der Malerei durchaus vergleichbar ist. Denn auch hier sind es Blumen und Landschaften aber auch Insekten und Meerestiere sowie Porträts von Toreros oder Stierbilder, welche flächenausspannend agieren und das jeweilige Bild bzw. Blatt gleichsam zu sprengen scheinen. Das scheinbare Chaos einer kaum zu steigernden Üppigkeit des Wucherns ihrer Bild- und Grafiksegmente in schillernd schöner Farbenpracht oder farbigem schwarz- weiß weis sie jedoch immer wieder zu bändigen und daraus ein stimmiges Ganzes zu bilden, das uns zwingt, das jeweilige Werk mit seinen Momenten von Anziehung und Abstoßung in seiner unergründlichen Vielfalt immer wieder von neuem erkunden zu wollen. zurück Matthias Zwarg, Chemnitz Laudatio zur Ausstellung " Elke Daemmrich, ZOOM - peintures et gravures" im Gellert-Museum Hainichen vom 3. Februar bis 1. April 2013, am 3. Februar 2013 Erinnerung an das Feuer Herzlich willkommen an diesem schönen Novembertag im Gellert-Museum. Denn in Hainichen ist das ganze Jahr über ein bisschen November. Das ist nicht nur in Hainichen so - schon Heinrich Heine hatte Deutschland insgesamt den „traurigen November“ als passenden Monat zugeschrieben, das ewige Grau, die ewigen Wolken am Himmel und in den Köpfen, die Zweifel und die Skepsis, die ewige Unzufriedenheit, der ewige Wettbewerb, der fast nur Verlierer kennt - und dann kommt da eine Künstlerin mit ihren Bildern, die so ganz anders sind. Wie ein friedlicher Überfall mit einem Lastwagen voller heller, freundlicher, leuchtender Farben sind Elke Daemmrichs Bilder - und so kommen sie unter die Deutschen… " So kam ich unter die Deutschen. Ich forderte nicht viel und war gefaßt, noch weniger zu finden. Barbaren von Alters her, durch Fleiß und Wissenschaft und selbst durch Religion barbarischer geworden, tiefunfähig jedes göttlichen Gefühls, verdorben bis ins Mark [...], in jedem Grad der Übertreibung und der Ärmlichkeit belaidigend für jede gutgeartete Seele, dumpf und harmonielos, wie die Scherben eines weggeworfenen Gefäßes - das, mein Bellarmin, waren meine Tröster. Es ist ein hartes Wort, und dennoch sag' ichs, weil es Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir denken, das zerrißner wäre, wie die Deutschen. Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Denker, aber keine Menschen, Priester, aber keine Menschen, Herrn und Knechte, Jungen und gesezte Leute, aber keine Menschen. " Und nun also diese Bilder, die kunstvoll zusammenfügen, was die Menschen schon längst geteilt hatten: Hier die wirkliche Welt mit ihren Fabriken, Konzernen, unsicheren Arbeitsplätzen, mit ihrer Konkurrenz, dem schneller, höher, weiter, ich bin besser als du - dort die Gefühle, die Liebe, die Natur, die der Mensch sich untertan machen wollte und nur langsam begreift, dass er das nicht kann, sondern selbst Teil dieser Natur ist. Und jetzt die Invasion der Killerbienen. Sie kommen als Heupferde (nicht als Heuschrecken), als Gottesan- beterinnen, Libellen, aber auch als Fische, Austern, Vögel, Stiere. Sie sind so real wie sie surreal sind in ihrer herangezoomten Größe (das war der unvermeidliche Hinweis auf den Titel der Ausstellung). Sie kommen so frech wie ein Gemälde von Salvador Dali. Hier bleibt nichts beim Notwendigsten, hier ist alles Überfülle und Übermaß ... ganz anders als bei den Deutschen üblich. " Deine Deutschen aber bleiben gerne beim Nothwendigsten, und darum ist bei ihnen auch so viel Stümper- arbeit und so wenig Freies, Ächt erfreuliches. Doch das wäre zu verschmerzen, müßten solche Menschen nur nicht fühllos seyn für alles schöne Leben, ruhte nur nicht überall der Fluch der gottverlaßnen Unnatur auf solchem Volke. Die Tugenden der Alten sei'n nur glänzende Fehler, sagt' einmal, ich weiß nicht mehr, welche böse Zunge; und es sind doch selber ihre Fehler Tugenden, denn da noch lebt' ein kindlicher, ein schöner Geist, und ohne Seele war von allem, was sie thaten, nichts gethan. Die Tugenden der Deutschen aber sind ein glänzend Übel und nichts weiter; denn Nothwerk sind sie nur, aus feiger Angst, mit Sclavenmühe, dem wüsten Herzen abgedrungen, und lassen trostlos jede reine Seele, die von Schönem gern sich nährt, ach! die verwöhnt vom heiligen Zusammenklang in edleren Naturen, den Mislaut nicht erträgt, der schreiend ist in all der todten Ordnung dieser Menschen. " In Elke Daemmrichs Bildern herrscht eine lebendige Ordnung, die sich gerade deshalb oft als verführerisches Chaos präsentiert, als vielschichtige Überlagerung, Vernetzung, Verschränkung in der Art der Vexierbilder, die ihr Geheimnis nicht auf den ersten Blick preisgeben. Und ihr gelingt es, dass diese Bilder trotz und wegen ihrer fast übernatürlichen Leuchtkraft nicht nett und beschönigend wirken. Ohnehin ist ja nach Rilke das Schöne nur des Schrecklichen Anfang. Es ist keine Idylle, die uns da förmlich entgegenspringt, auch wenn sie sich vor dem Haus der Künstlerin in Frankreich so präsentieren mag. So wie Hölderlin schrieb: " Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch ", so ist dieser bizarren Schönheit auch die Gefahr nahe. Die übergroßen Heupferde haben selbst schon etwas Bedrohliches - als wollten sie warnen: Kommt uns nicht zu nahe, und kommt nicht als unsere Feinde - notfalls erobern wir uns unseren Lebensraum zurück. Und im Gesamtwerk der Künstlerin nehmen die bizarren Naturbilder ohnehin nur einen Teil ein. Der aber hat durchaus etwas von der monumentalen Begeisterung, wie sie Arthur Rimbaud in seinem „Trunkenen Schiff“ besang: " Ich weiß, wie Himmel bersten, ich kenn die Dämmerungen, die Ströme und die Dünung, die Woge, die sich bäumt, die früh - verzückt wie Tauben, die sich emporschwungen Und manchmal sah mein Auge, was Menschenauge träumt." Das ist so ganz untypisch, für den deutschen Blick: " Ich sage dir: es ist nichts Heiliges, was nicht entheiligt, nicht zum ärmlichen Behelf herabgewürdigt ist bei diesem Volk, und was selbst unter Wilden göttlichrein sich meist erhält, das treiben diese allberechnenden Barbaren, wie man so ein Handwerk treibt, und können es nicht anders, denn wo einmal ein menschlich Wesen abgerichtet ist, da dient es seinem Zwek, da sucht es seinen Nuzen, es schwärmt nicht mehr, bewahre Gott! Es bleibt gesezt, und wenn es feiert und wenn es liebt und wenn es betet und selber wenn des Frühlings holdes Fest, wenn die Versöhnungszeit der Welt die Sorgen alle löst, und Unschuld zaubert in ein schuldig Herz, wenn von der Sonne warmem Strale berauscht, der Sclave seine Ketten froh vergißt und von der gottbeseelten Luft besänftiget, die Menschenfeinde friedlich, wie die Kinder, sind - wenn selbst die Raupe sich beflügelt und die Biene schwärmt, so bleibt der Deutsche doch in seinem Fach' und kümmert sich nicht viel ums Wetter! Aber du wirst richten, heilige Natur! Denn wenn sie nur bescheiden wären, diese Menschen, zum Geseze sich nicht machten für die Bessern unter ihnen! " Elke Daemmrich unterwirft sich solchen Gesetzen nicht. Sie schafft ihre eigene Welt, die der unseren dennoch nicht fern ist, wie ihre sensiblen Grafiken zu „Fukushima“, „Costa Concordia“ oder „Irak 2003“ zeigen, die vor allem die menschliche Dimension dieser von Menschen gemachten Unglücke in den Mittelpunkt stellen, die die Welt erst zu dem unvollkommenen Ort machen, der sie ist. " Es ist auf Erden alles unvollkommen, ist das alte Lied der Deutschen. Und darum fürchten sie auch den Tod so sehr und leiden, um des Austernlebens willen, alle Schmach, weil Höheres sie nicht kennen, als ihr Machwerk, das sie sich gestoppelt." Aus diesen Bildern spricht eine Sehnsucht nach der zum Glück unerreichbaren Vollkommenheit, die gleichwohl der schönste Antrieb nicht nur für die Kunst, sondern auch für das Leben ist. Aus diesen Bildern spricht ein „Ganz oder Gar nicht“, ein Bis-an-die-Grenze (und sei es die des Bildes) gehen – was im Leben sicher nicht immer durchzuhalten, in der Kunst aber der einzige Maßstab ist. " Wo ein Volk das Schöne liebt, wo es den Genius in seinen Künstlern ehrt, da weht, wie die Lebensluft, ein allgemeiner Geist, da öffnet sich der scheue Sinn, der Eigendünkel schmilzt, und fromm und groß sind alle Herzen und Helden gebiert die Begeisterung. Die Heimath aller Menschen ist bei solchem Volk' und gerne mag der Fremde sich verweilen. Wo aber so belaidigt wird die göttliche Natur und ihre Künstler, ach! da ist des Lebens beste Lust hinweg, und jeder andre Stern ist besser, denn die Erde. Wüster immer, öder werden da die Menschen, die doch alle schöngeboren sind; der Knechtsinn wächst, mit ihm der grobe Muth, der Rausch wächst mit den Sorgen, und mit der Üppigkeit der Hunger und die Nahrungsangst; zum Fluche wird der Seegen jedes Jahrs und alle Götter fliehn. " Die Farben und Striche und Stiche sind - übrigens auch mit großer handwerklicher Meisterschaft - gewebt wie eine göttliche Sinfonie, bei der sich ein Ton aus dem anderen ergibt, ergänzt und gefüllt und kontrastiert mit Ornamenten, Ziselierungen, pretiösen Schmuckstücken, die an die Erfindung der Farben erinnern, wie sie Eduardo Galeano beschreibt: " Einst waren die Federn der Vögel und die Haut der Tiere weiß. Heute sind alle blau, die in dem See gebadet haben, in den kein Fluss mündet und aus dem kein Fluss entspringt. Rot sind alle, die in den See getaucht sind, der aus dem Blut bestand, das ein Kind des Kadiueu-Stammes vergoss. Erdbraun sind alle, die sich im Schlamm wälzten, und aschgrau, die sich an erloschenem Herdfeuer wärmten. Grün sind diejenigen, die sich an Blattwerk rieben, und weiß diejenigen, die still standen. " Elke Daemmrichs Bilder sind ein Plädoyer gegen den Stillstand, gegen das Dulden und das stumme Leiden, für das Lebendige, das Hinsehen, das Staunen - kein Wunder, dass sie in Frankreich, im Süden überhaupt, besonders geschätzt werden, wo die Menschen nicht so leicht geneigt sind, alles hinzunehmen, was ihnen die Obrigkeiten verordnen, wo die Streiks mächtiger und die Freude und die Feste ungebändigter sind. Kein Wunder, dass es auch die wandernden Künstler dorthin treibt. Wie anders klingt es bei Hölderlin, und fast scheint es, als hätte er den Umzug der Künstler in den Süden vorweggenommen: " Und wehe dem Fremdling, der aus Liebe wandert, und zu solchem Volke kömmt, und dreifach wehe dem, der, so wie ich, von großem Schmerz getrieben, ein Bettler meiner Art, zu solchem Volke kömmt! - Ich wollte nun aus Deutschland wieder fort. Ich suchte unter diesem Volke nichts mehr, ich war genug gekränkt, von unerbittlichen Belaidigungen, wollte nicht, daß meine Seele vollends unter solchen Menschen sich verblute. " Für Sie aber ist ja hier Rettung in Sicht – viel Freude an den Bildern von Elke Daemmrich. Zitate aus „Hyperion oder Der Eremit in Griechenland“ von Friedrich Hölderlin zurück Christoph Tannert, Berlin Auszug aus dem Katalogtext "Leuchtende Garten Eden Visionen", Einzelausstellung Elke Daemmrich "Meer Farben entdecken", Galerie der BASF Schwarzheide, Mai 2011 PDF Katalog BASF Im kleinen Grafikformat kommt die ganze gestalterische Potenz der Künstlerin zur Geltung. Schier ungebremst und unbezwingbar arbeitet sich Elke Daemmrich wie ein Chor mit verschiedensten Stimmen gegen jede dekorative Genusserwartung durch figürliches Detailgestrüpp. Sie konstruiert, dekonstruiert und komprimiert ein babylonisches Liniengewirr von wechselnden Standpunkten aus. Gedruckt werden diese Meisterwerke in der Grafikwerkstadt Dresden. Alles in allem ist ihr Werk ein Frontalangriff, eine wunderbare Zumutung, hypnotisches Strudeln. zurück Karin Weber, Dresden Text zur Ausstellung Elke Daemmrich "Mediterran" Galerie am Domhof, Zwickau, Deutschland, 2010 Kann man Farben riechen, schmecken oder fühlen ? Diese Frage kann ich mit einem JA beantworten. Das Phänomen bezeichnet man als Synästesie. Angesichts der flimmernden Farbmaterie der Malerei von Elke Daemmrich möchte man ganz einfach riechend, schmeckend und fühlend mit diesem dargereichten Kosmos verschmelzen. Unversehens wird man vom flüchtigen Hinschauer zu einem gebannten Betrachter, befindet man sich auf der Spur Elke Daemmrichs Arbeit, die das Meer geschaut hat, ihre Sehnsucht auf den Wellen treiben liess, die weiss, dass die Wasser der Erinnerung uns festhalten und doch forttreiben lassen. Und sie führt uns weg von kunsthistorischen Vergleichen. Sie führt uns zu etwas hin, das viel weniger im Werk anderer Meister zu finden ist, sondern uns be- kannt ist aus dem eigenen Erleben, wenn die Sinne bereit waren, für das grosse Abenteuer von Natur. Elke Daemmrich ist vorallem eine Künstlerin des Augenblicks, die nicht nach Gefühlichkeit strebt, sondern Farben analytisch verlebendigt und mit einer Leichtigkeit Strukturen und Harmonien schafft, die den Betrachter anregen, sich selbst zu folgen. Und damit wir uns nicht verlieren im Assoziieren, benennt sie, die intelligente Fallenstellerin, die Koordinaten ihrer Betrachtungsweise mit lakonischen Titeln, die der Verortung einen Namen geben. Aus Nähe wird Ferne, aus Ferne wird Nähe. Elke Daemmrich liebt Dualismen, Gegensätzlichkeiten, das Verschmelzen von inneren und äusseren Landschaften, in die das Schauen seine Spuren gräbt, das Schauen, das von eigener Erfahrung und Wunschvorstellung geprägt ist. Deshalb ist die Wahr- nehmung jedes Einzelnen nicht vergleichbar miteinander und auch die Erwartungshaltung, die sich mit dem Farbensehen verbindet. Durch Reisen wurde Elke Daemmrich wissend und doch befindet sie sich auf der Durchreise hin zu neuen Einsichten. Farbe ist ein Mysterium mit dem sie das Flüchtige und das Dauerhafte bannt, an der Schwelle ewiger Verwandlung zu Landschaften von irisierenden, grellen wie lebhaften Farbräumen. Man kann mit den Augen Lichtzauber fühlen, ertasten, sich berau- schen lassen vom Mysterium der Farben, der Formkultur, der Bewegtheit, der Strukturen. Auf einen Blick sind die Bildwerke nicht fassbar. Sie erfordern ein langes Hin und Her zwischen Detail- beobachtung und dem ganzheitlichen Sehen, Nah- und Fernsicht um die Komplexität dieser Schönheit zu erfassen, die wie in einem Rausch, in einem Feuerwerk von Farben gesteigert wird. Die Gier nach Farbe führt sie zu einer virtuosen, exzessiven, ja nahezu orgiastischen Projektion von Traum und Sehnsucht nach DEM BILD. Das Ergebnis ist eine gleichermassen aufregende wie beruhi- gende Malerei, voller poetischer Sensationen und sprühender Phantasie. Wichtig ist, dass das Bild eine Aura besitzt, das Bildthema ist nur der Anlass, Farben sprechen zu lassen, das Chaos zu ordnen, der ewigen Metamorphose vom Werden und Vergehen zu folgen, eigene Paradiese zu finden. Ihre Lebensgier und Lebenslust sprechen ebenso aus ihren Bildwerken wie auch Phantasiereichtum und analytischer Verstand, gepaart mit einem faszinierenden Spieltrieb. Sie selbst bekennt sich zum Geheimnis, zur Erde, zur Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit. In Bezug auf Elke Daemmrichs Malerei könnte man von „kontrollierter Emotionalität“ und „intellektueller Sinnlichkeit“ sprechen. Aber man kann es auch einfacher ausdrücken : Es riecht nach Erde, duftet nach Sommer, flirrendes Sonnenlicht wird reflektiert, Wasseroberflächen bewegen sich, alles fliesst und ver- fliesst und wird ein Ganzes in mitunter überquellender All-over-Struktur, in der sich die Perspektiven verschieben zu einer Gleichwertigkeit von Mensch, Tier, Pflanze. Elke Daemmrich zieht alle Register farbiger Verführung und Vorführung. Sie ist sowohl Strategin, die sich die Farbpalette vorgibt, als auch staunende Zauberin. Der Garten Eden scheint nicht weit und den- noch geht es um Leben und Tod. Handelt es sich nicht auch um „Fata Morganen“, um Trugbilder, die je nach Stimmung wechseln können…?! Entdecken Sie es selbst. In einem Interview sagte die Künstlerin über sich : „Ich fühle mich als Europäerin. Heimat hat für mich verschiedene Dimensionen. In Dresden befinden sich die Wurzeln meiner Herkunft, in Südfrankreich und Katalonien die Wurzeln meiner Kreativität. Sicherlich lebe ich in Südfrankreich ein Stück näher an der Natur und vor allem eingebettet in die ge- schichtlichen Gegebenheiten : Mein Haus, mein Arbeits- und Wohnort, ist das Geburtshaus eines Erzbischofs von Albi mit Teilen aus dem 13. Jahrhundert. Mein südlicher Garten, die Nähe der Geschichte, die Sonne, das Licht, laden mich mit einer besonderen Energie auf. Im Süden erlebe ich eine grössere Üppigkeit, einen grösseren Reichtum an Formen und Farben. Ich inspiriere mich an dem, was mich umgibt. In meinem Garten kann ich hautnah Gottesanbeterinnen beobachten. Oder am Meer Seeigel. Das besondere der Landschaft Kataloniens ist, das dort die Hochgebirgszüge der Pyrenäen regelrecht ins Wasser fallen.“ Das, was sie sieht und fühlt, ihr innerer Reichtum ist immer präsent, ihre Sehnsucht nach Harmonie ebenso und ihr Wissen um das labile Gleichgewicht in der Natur, das durch Menschenhand gestört werden Kann. Das Blau der Transzendenz und der Träume, der Sehnsucht und des Wassers der Er- innerung verschwistert sich mit dem Rot des Lebens und dem Grün der Hoffnung. Es ist eine bezwing- ende Poesie, die vonden stark farbigen, mitunter fluoreszierenden Arbeiten ausgeht, die das Meer, Blumenpracht und Stierkampf als Gleichnisse zum Thema haben. Hier ist jemand am Werk, der keine Angst vor dem Farbmeer schillender Projektionen, betörender Perspektiven, strenger realistischer Handhabung von Details hat. Manche sprechen gar von „Präzision“ und manches wirkt tatsächlich so, als wäre Blattwerk unter einem Vergrösserungsglas betrachtet worden. Der Betrachter steht Bildtep- pichen reiner verwirrend flirrenden allumfassenden Struktur gegenüber, in denen sämtliche Ebenen von gleichwertiger Bedeutung sind, so dass mitunter der Eindruck entsteht, es handle sich um ein kostbar vertricktes Ornament. Ein Feuerwerk an Farben und ornamental-linearer Einsprengsel, sowie von Punktscharen, die wie Edelsteine aufleuchten, verheisst sinnliche Ekstase, lustvoll-überschweng- liche, ja lüsterne Lebensbejahrung, um in der Glut von Rot, Gelb und Blau, im Konzentrat der Farben zu verglühen. Diese paradiesische Omnipotenz schliesst auch das Vergehen, das nach em Aufblühen folgt mit ein. Sogartig wird man als Betrachter mit fort gerissen in Gärten erotisierter Verführungskunst, musikalischer Farbklänge, die sich in einer Orgie von Farbe und Licht steigern. Wer synästhetische Erfahrungen gemacht hat, wird sicherlich einen schweren, betörenden, nahezu exotischen Duft im dschungelgleichen Blumenmeer empfangen, der wie eine Droge, berauschende Wirkung erzeugt. Die Phantasie, die sich an ihren Arbeiten entzündet, der perlende Fluss ornamentaler Üppigkeit, das Ineinanderfliessen und Verfliessen der Strukturen, die kaleidoskopartige Farbsegmen- tierung, die das Auge im ersten Moment irritiert, bis es dann auf Wanderschaft geht und euphorisiert Entdeckungen wagt, das barocke Schwelgen in Farbe – all das gleicht einem Rausch, einem kraft- spendenden Ritual und man ist sich als Betrachter irgendwann sogar sicher, dass ein rätselhaftes Energiezentrum innerhalb dieser Farbkultur liegen muss. Angst vor der Leere - kennzeichnet diese Arbeiten ebenso wie eine Bewegung, die alles einzu- schliessen scheint : den Wind, den Regen, die Sonne, das Fallen und Aufstehen, das Lieben und Sterben, Genuss und Fanatismus, Himmel und Hölle, die Metamorphosen lebendiger Glückseligkeit. zurück Claude-Henri Bartoli, San Luis Potosi (Mexiko) Text zur Ausstellung "Elke Daemmrich, un monde habité par la couleur" Espace d'art contemporain, Museum Bédarieux, Herault, Frankreich, 2009 Elke Daemmrich, oder die Dornen der Schönheit Wenn der Kunstliebhaber das erste Mal Werken von Elke Daemmrich begegnet, dann ist das für Ihn eine grosse Überraschung, so als ob ein Reisender, der in Paris in den Zug steigt und seine Augen erst wieder in der gleisenden Sonne des Midi, in Juan-les-Pins, öffnet. Jeder weiss, dass die Blendung, die das Sehen verhindert, mit der Zeit, wenn sich das Auge an die Veränderung gewöhnt hat, verschwindet. Dann beginnt das langsame Ordnen dieses intensiven Feuerwerks. Der Überschwang der Linien, Formen und Farben, der anfangs unfassbar scheint, wird lesbar. In diesem Dschungel dominieren pickende Formen, leuchtende Dolche, erotische Turgeszenzen und ein tierisches Repertoire : Stiere, Grillen, Heuschrecken, Hummer, Tintenfische, Langusten mit Zangen, Hörnern und Krallen, die zu einem kanibalischen Festessen einzuladen scheinen, bei welchem sogar Blumen Fleisch fressen. Eine panische Sarabande animiert den Bildraum, so als ob für die Künstlerin, die aus der Kälte des Norden kommt, der Mauerfall einen Regenbogen befreit hätte. Diese Lektion Hedonismus ist heilsam gegen Mittelmässigkeit und Stereotypen der heutigen Zeit, belebend wie ein heftiger Windstoss frischer Luft. Hier ist alles möglich : das Schöne, als auch sein Gegenteil, das Aufeinandertreffen von wiedersprüchlichen Energien... gewollt, gefordert, sichtbar gemacht. Also passen Sie beim Betrachten der Ausstellung auf die Dornen auf ! Notiert : Elke Daemmrich stellt seit 1988 aus, mehr als 100 internationale Ausstellungen begleiten einen ungewöhnlichen Lebenslauf. zurück Prof. Dr. Brigitte Rieger-Jähner, Direktorin der Museen Junge Kunst und Viadrina Frankfurt/Oder Laudatio zur Einzelausstellung "Atem des Südens", Galerie des Städtischen Museums Eisenhüttenstadt 2009 " Die Franzosen sind eben mit ihren Sinnen viel glücklicher veranlagt für die Malerei, den Deutschen mangelt der koloristische Sinn", bemerkte Käthe Kollwitz bereits 1911. Vergleicht man so z. B. die Malerei des französischen mit der des deutschen Impressionismus, lässt sich diese Behauptung bereits im 19. Jahrhundert sehr gut nachvollziehen. Eine heitere Unbeschwertheit der französischen Malerei, die von der Leichtigkeit des Seins zu künden scheint, steht nicht nur hier der schwerblütigen, zur Selbstzerfleischung neigenden existenziellen Infragestellung auf deutscher Seite gegenüber. Aber auch heute kann man feststellen, dass eine intensiv heitere Farbigkeit, verbunden mit einer deko- rativen Formenfindung, immer noch verhältnismässig selten in der zeitgenössischen deutschen Kunst zu finden ist. So stellte der bekannte Kunsthistoriker Paul Vogt bezogen auf das Werk von Matisse selbst noch 1989 fest: "Schönheit wird zu leicht mit Oberflächlichkeit verwechselt, ein erlesener Ge- schmack im Umgang mit Form und Farbe gilt als verdächtig, der schönfarbige Klang dekorativer Bild- elemente als Verrat am dunklen Ernst der Kunst." Elke Daemmrich gehört diesbezüglich zu den Aus- nahmen in der deutschen Kunstszene, nutzt sie doch gerade diese Gestaltungsmerkmale als Basis für ihre Arbeit. Doch sie tut dies, ohne dabei ihre Herkunft zu verleugnen. Der Auslöser für ihren eigenwilligen künstlerischen Selbstfindungsprozess war ein Stipendium der Stiftung Kulturfonds Berlin, das 1993 mit einem halbjährigen Aufenthalt in der Provence verbunden war. Doch obwohl er bei der Künstlerin mit einer gewissen Folgerichtigkeit zu dem Entschluss führte, ihren Lebensmittelpunkt nach Frankreich zu verlegen, kehrte sie seit 2003 immer wieder, nicht zuletzt durch Ausstellungsprojekte wie das heute zu eröffnende, nach Deutschland zurück. Ab 1994 und damit seit 15 Jahren lebt sie so bei Toulouse in Südwestfrankreich. Hier ist es vor allem das gleissend helle Licht des SÜDENS verbunden mit der Wärme und einer üppigen Vegetation sowie das Leben in relativer Einsamkeit mit und in der Natur, das ihr immer wieder von neuem Kraft für die Ar- beit gibt und dieser zugleich eine Intensität verleiht, die eine unverwechselbare Note besitzt. "FÜR MICH GING MALEREI ERST LOS," stellte die Künstlerin bezogen auf ihr Leben in Frankreich fest, dass sie möglicherweise gerade im Dialog mit dem nicht vergessenen heimatlich barocken Flair der Elbmetropole Dresden so bewusst erlebte. So werden Daemmrichs Bilder seit 1993/94 vor allem durch eine intensiv satte Farbenpracht bestimmt. Ob es nun ein leuchtendes Zinnoberrot ist oder ein Kaisergelb, ein Königsblau und ein kräftiges Violett sowie die Vielfalt intensiver Grünvarianten, die sich mit satten orangenen Tönen ein orchestrales Stell- dichein geben, sie verbinden sich auf der jeweiligen Bildfläche zu einem phantastischen Geschehen. Dieses geheimnisvolle Treiben ist aber nicht allein auf ihren Gemälden sondern auch auf ihren Radie- rungen und Kupferstichen zu finden. Hier gestaltet sie im Verhältnis zur Malerei auf kleiner Fläche, jetzt im farbigen Schwarz-Weiss mit einer Fülle von Grauvarianten. Literarischer und auch persönlicher sind diese Blätter, die seit 1997 entstehen. Aber der Malerei durchaus vergleichbar sind auch hier Pflanzen und Landschaften sowie Porträts von Toreros oder Stierbilder die Akteure des Geschehens, welche flächenausspannend agieren und das jeweilige Bild bzw. Blatt gleichsam zu sprengen scheinen. Durch die Anschnitte verbunden mit Überblendungen wird die Unmittelbarkeit und Nähe zum Betrachter bei der Grafik wie in der Malerei noch verstärkt. Nun wollen wir uns wieder ganz auf die Bilder der Künstlerin konzentrieren, da für mich der besondere Reiz ihres Schaffens im Gebrauch der Farbe liegt. Doch trotz deren farbig formalen Ausdrucksstärke, die einem auf den ersten Blick ins Auge fällt, sind es nicht die exstatisch farbigen Gefühlsausbrüche einer expressionistisch pastosen Malerei, die wir hier bewundern können. Vielmehr formuliert die Künst- lerin mit dünn deckender Ölfarbe sowohl ausdrucksstark flächenhaft, ohne dabei die Farbmodulation zu vernachlässigen als auch zeichnerisch präzis, mit grafisch klarem Strich. Und in Beidem, in der Grafik wie in der Malerei, besitzt das Dargestellte, abgesehen von einigen bewu- ssten Verzeichnungen, reale Proportionen, wobei diese Realitätssicht im Bildzusammhang nicht selten wieder aufgehoben wird. So wird das von ihr Formulierte, sowohl in seinem aufeinanderbezogenen Grös- senverhältnis, als auch in seiner An- und Zuordnung allein von subjektiv formalen Gesichtspunkten be- stimmt. Nicht zuletzt ist es aber auch die schwerblütige Kostbarkeit der farbigen Gestaltung ihrer Malerei, wie wir sie von den grossen Koloristen des 20. Jahrhunderts in Dresden kennen, die sich von der Leich- tigkeit des Seins abhebt, wie sie nicht selten die Franzosen zu zelebrieren verstehen. So klingt letztlich bei den fast barock zu nennenden, d.h. von rauschender Fülle geprägten Darstellungen der Künstlerin auch immer ein janusköpfiges dialektisches Moment mit. Die Doppelkodierung von französischem und deutschem Formenbewusstsein, von Rationalem und Irrationalem, Sinnlichem und Verstandesmässigem, von den Tag- und Nachtseiten des Lebens und letztlich von Leben und Tod sind so immer miteinander verwoben in ihren Darstellungen zu finden. Das scheinbare Chaos einer kaum zu steigernden Üppigkeit des Wuchern ihrer Bildsegmente in schil- lernd schöner Farbenpracht weiss Elke Daemmrich jedoch immer wieder zu bändigen und daraus ein stimmiges Ganzes zu bilden, das auch eine agressiv gewaltvolle Komponente in sich birgt. Die sybio- tische und vorallem gekonnte Verbindung aller dieser Elemente zu einer Bildeinheit sind es letztlich, die uns zwingen das jeweilige Werk mit seinen Momenten von Anziehung und Abstossung erkunden zu wollen. So bestätigt sich im Werk der Künstlerin die Tatsache, dass es kein Paradis ohne Hölle gibt. Von beidem wissen diese Bilder auf eindrucksvolle Weise zu berichten, wenn man sich die Zeit nimmt und sich auf sie einlässt. zurück Bernd Weise, Galerist, Chemnitz Laudatio zur Einzelausstellung "Kraft des Südens", Galerie ART IN Meerane 2008 Elke Daemmrich wurde im Jahre 1964 in Dresden geboren. Seit einer ersten Ausstellung ihrer Arbeiten im Jahre 1988 hatte sie an zahlreichen Orten überragende Erfolge - und seit einigen Jahren höre ich mehr und mehr von dieser Malerin, die in letzter Zeit eine nicht unbemerkt bleibende Spur hinterläßt. Eine Spur, die den Weg zu künstlerischem Erfolg zu markieren scheint. Wissen paart sich bei ihr mit Können, mit Erfolgswillen und enormer Energie und mit einer sehr starken Konzentration auf das eigene künstlerische Werk, sodaß ihre Arbeit nicht unbemerkt bleiben kann und von der Kunstwelt in immer stärkerem Maße wahrgenommen wird. Das zeigen viele Ausstel- lungen in Deutschland genauso wie in ihrer Wahlheimat Frankreich. Während eines sechsmonatigen Arbeitsaufenthaltes in der Provence erblühte ihr Verlangen nach dem Licht des Südens - bereits seit 1994 lebt die Künstlerin nunmehr bei Toulouse in Südwest- frankreich. Dort hat sie den Ort der Einsamkeit und der Zuflucht gefunden an dem sie leben und arbeiten kann, wie eine Einsiedlerin in und mit der Natur und doch verflochten mit den Kunstzentren des scheinbar vereinten globalen Europas. Aus dem Wechsel ihres Lebensmittelpunktes erwuchsen wesentliche gedankliche Anstöße für neue Bilder. An keinem anderen Ort hat sie eine solche Fülle von Anregungen gefunden wie dort. Themen gibt es viele für Elke Daemmrich. Ihre expressiv komponierten Gemälde verraten viel, vielleicht sogar sehr viel Privates. Auffallend ist bei zahlreichen Gemälden die unmittelbar sinnliche und erotische Beziehung zur Farbe - und zu den Motiven. Männliche Stiere und sehr weiblich an- mutende Blüten geben sich auf den Leinwänden ein Stelldichein. Die unbändige Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies ist der Künstlerin anzumerken. Darüber hinwegtäuschen kann und will die gleißend heiß flimmernde Farbigkeit ihrer Bilder nicht. Immer wenn ein Künstler oder eine Künstlerin sich mit Geschaffenem, an die Öffentlichkeit begibt wird sehr Persönliches preisgegeben. Wird das Herz geöffnet. Die unmittelbare sinnliche und erotische Beziehung zur Farbe scheint mir der wichtigste Ausgangspunkt von Elke Daemmrich und das durchgängige Grundelement ihrer künstlerischen Arbeit zu sein. Für überwältigende Naturerscheinungen war Elke Daemmrich bereits im Kindesalter sensibilisiert. Doch erst als gereifte Künstlerin kamen alle gefühlten, erlebten und im Empfinden gespeicherten Erlebnisse zum Ausbruch und manifestierten sich auf ihren Bildern, nun angereichert mit den Insignien des Südens, versehen mit der Stärke südlicher Sonne und flimmernden Lichtes. Während die Cou- leurs ihrer Malereien in einem phantastischen Zusammenhang zu stehen scheinen, erinnern die Formen der von ihr dargestellten Themen im weitesten Sinne immer an fundamentale Urphänomene der Natur. Und richtig: apokalyptische Gärten nannte die Künstlerin deshalb ihre Bilder anlässlich einer Ausstellung in Dresden vor einigen Jahren. Ihre Erforschung der Landschaften der Provence, ihre Entdeckung der Besonderheit des Lichtes in Südfrankreich und ihre Erkundung der Wege, auf denen Menschen und Natur aufeinander stossen, hat sie dazu gebracht, eine ganz persönliche und spezielle Ausdrucksweise zu entwickeln. Ich bin mir sicher, dass sie zu dieser Ausdrucksweise nur im Süden finden konnte. Die Sehnsucht fortzuziehen, gewohnte und auch lieb- dabei aber eigener Aktivität hinderlich gewordene Quartiere zu verlassen und zu neuen Ufern aufzubrechen vereint Elke Daemmrich mit einigen ihrer prominenten Kollegen aus vergangenen Jahrzehnten. Erst die wirkliche Loslösung von familiären oder sozialen Bindungen durch das Nachgeben nach dem Drang ins Freie ermöglicht wahrscheinlich auch wirkliche Befreiung von starren, eigene Entwicklung behinderten Wurzeln oder von verstaubt anmutenden Traditionen. Künstler, Maler besonders, sind stets neugierige, aufgeschlossene, meist rastlose Menschen. Die Werke von Elke Daemmrich sind von sehr lebhaften Farben erfüllt. Dabei besitzen sie auch viel von der Sehnsucht nach dem Märchenglanz und dem Traumleben der Romantik. Mit regelmäßigen Pinselspuren vereint sie ein feuriges Rot mit dem erstaunlichen Blau des Himmels und dem alles durchdringenden Gelb und sie erzählt uns auf diese Weise von unerwarteten Entdeckungen und Erlebnissen. Sie zeigt uns Flora und Fauna, sie erinnert uns dabei an die Darstellungen des Stier- kampfes durch Picasso. Über das Mythologische hinaus barg der Stierkampf bereits ihm, dem Vor- bild zahlreicher Künstlerinnen und Künstler, eine erotische Symbolik. Denn das Spiel des Toreros mit dem Stier scheint einem Tanz zu gleichen. Einem Tanz - vergleichbar mit einem Ritual zur Son- dierung sexueller Möglichkeiten. Das Schwingen der Hüften,der ständige Blickkontakt der Tanz- partner, das Berühren der Hände und Schultern, beziehungsweise der Oberkörper ist wohl als eine Art Beginn bevorstehender Vereinigung zu sehen. Der Stierkampf ist nur ein Teil der Mythologie des Mittelmeerraumes. Er ist ein wichtiger Bestandteil der Kultur dieser Region und bedeutet Heimischsein für Elke Daemmrich. Und natürlich finden sich auch Stiere und Toreros in den Bildern hier in Meerane. Beim Betrachten und beim Lesen der Bilder von Elke Daemmrich kommt uns auch wieder zu Be- wußtsein mit Begeisterung Goya gesehen zu haben und wir finden Hemingway wieder, den wir in unserer Jugend lasen und der im Bücherregal gleich neben Hermann Hesse und Heinrich Heine steht. Schon ihm, dem an Frankreich verlorenen Sohn, genügte das latent schwermütige Leiden an der deutschen Krankheit für den Schritt ins französisch heitre Tageslicht. Zum Drang nach Freiheit von den deutschen Zuständen und der Bürokratie und der Miesepetrigkeit und dem die Sinne trübsinnig machenden Wetter kam auch bei Heinrich Heine die Verheißung nach Glück, Liebe und Wärme. Kunst kann expressiv, exotisch, erotisch, europäisch, phantastisch oder wie auch immer sein. Sie ist es seit Jahrhunderten und wird es weiterhin bleiben. So ergeben sich fast grenzenlose Möglichkeiten des Arrangierens unterschiedlicher Stile und Inhalte. Kunst darf auch dekorativ sein. Sie darf auch gefallen. Elke Daemmrichs Kunst ist so. Sie hat von allem etwas und ist dabei absolut eigenständig. Über Mangel an Resonanz kann die Künstlerin nicht klagen. Der unverwechselbare Stil ihrer Malerei ist stets wiedererkennbar und dem Namen der Malerin immer wieder zuzuordnen. Am Ende fügt sich bei Elke Daemmrich alles in der Glut mediterraner Farbenpracht, alles Selbstinszenierte und jedes Zitat der Kunstgeschichte, alles das was ihre Kunst ausmacht gelingt zu einem harmonischen Ganzem. Die deutsche Alltagssprache verdankt Heinrich Heine unter anderem die Vokabel "Fiasko", die er aus Frankreich mitbrachte. Ebenso wie den Begriff "Vorschußlorbeeren". Ein Fiasko erleiden wir hier nicht, doch Vorschußlorbeeren, diese möchte ich gern der Ausstellung darbringen von der ich hoffe, dass sie ihnen genauso gut gefällt wie mir. zurück Ingrid Koch, Dresden Paradies und Apokalypse Katalogtext Elke Daemmrich 2006 Die Bilder der Malerin Elke Daemmrich kann man nicht übersehen. Leuchtendes Zinnoberrot, Gelb und Königsblau, auch kräftiges Violett, Grün und Orange ziehen fast zwingend den Blick an. Die Brillanz der dünn, aber leinwanddeckend aufgetragenen Farben ist bestechend. Ebenso der malerische Duktus, der selbst Details wie die "Adern" der Blütenblätter einschließt. Diese "Präzision" erzeugt nicht in erster Linie Abbildhaftigkeit, sondern eher Verfremdung, die ebenso durch die freie Handhabung von Größenverhältnissen unterstützt wird. Blüten ähneln Kinderköpfen, Insekten und Meerestiere erscheinen riesig, ein Stier in Korrelation zu einer Blumenwiese wiederum klein, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Bildszenerien wirken in der Folge ein wenig surreal - gleich ob sie Eindrücke aus dem brodelnden New York verarbeiten, von erlebten Stierkämpfen oder von südländischer Natur berichten. Bei allen partiellen malerischen Unterschieden der letzten Jahre gibt es ein Hauptcharakteristikum: Die Malerei ist flächig, erinnert an einen Teppich. Ihre Motive sind durch ein kunstvolles Drüber und Drunter miteinander verknüpft - der Stier mit dem Mohn, der Hummer mit vielen kleinen Krebsen, die Flügel der Bienen bei der Honigernte mit dem Rot der Blüten. Es ist wie in der Natur: In Elke Daemmrichs Malerei ist alles mit allem verbunden. Noch deutlicher wird dieses Bildprinzip in ihren Radierungen und Kupferstichen sichtbar, etwa in den Serien, in denen sie auf Francisco de Goyas "Caprichos" und dessen Zyklus "Tauromaquia" Bezug nimmt. Diese Arbeiten weisen die Malerin als eine ebenso überzeugende Grafikerin aus. Die malerische Auffassung der Künstlerin steht in engem Zusammenhang mit ihren Themen. Oder sollte man besser sagen: d e m Thema? Denn gleich ob sie im Jahr des 11. September New York-Bilder malt, zu anderer Zeit den Stierkampf thematisiert, einen im Blütenmeer versinkenden Garten zeigt oder den Betrachter mit einer Ansammlung Meerestiere konfrontiert - alles hat mit Dasein, mit Existenz, zu tun. In dieser Malerei findet man Himmel und Erde, Werden und Vergehen, Fressen und Gefressen- werden, Geburt und Tod. Die Künstlerin malt die Metropole als einen sich reproduzierenden Organismus, in dem es immer wieder neue Sieger und Verlierer gibt. Auf andere Weise gilt das auch für den Stierkampf. Wer ist der Starke, wer der Schwache? Der Torero oder der Stier? Archaische Gesetze wirken in diesem Wettkampf. Für beide kann es um Leben und Tod gehen. Auch daran erinnern Bilder Elke Daemmrichs. Und an Weiteres: Der Stierkampf ist ebenso ein Gleichnis für das Wechselspiel der Geschlechter - deren Anziehung und Abstoßung, worauf ja nicht zuletzt die Erhaltung jeder Gattung beruht. Endlichkeit und Doppelgesichtigkeit der Existenz - auch darüber erzählt Elke Daemmrich mit ihrer Malerei - nicht nur, wenn sie an den toten Torero erinnert, sondern auch in ihrern auf den ersten Blick paradiesischen Gartenbildern, in denen die Zeit stehen zu bleiben scheint. In allen Blauschattierungen leuchtet Iris, grandios sind die rot-gelben Mohnblüten, im hellen Licht bricht sich das Weiß der zarten Passionsblume, während die Tulpen feurig zu lodern scheinen. Unter der Oberfläche der Schönheit spürt man zugleich etwas Untergründiges, eine Art "zweite" Ebene. Der gemalte Überfluss wirkt gleichermassen erotisch wie gewaltvoll. Beides scheint wie ein feines Gespinst die Bilder zu durchdringen. Prall sind gross gemalte Blütenstände und Fruchtkapseln, dunkel-prächtig die "Nachtblumen", tief die Abgründe eines überdimensionierten Blütenkelchs. Und nach der Begattung ist das Schicksal des Männchens der Gottesanbeterin besiegelt. Fast körperlich ist der naturgegebene Kampf ums Dasein zu spüren, der in seiner Konsequenz allerdings mit immer wieder neu entstehendem Leben das Ganze sichert, neues Leben, neue "Ernten"! Ein Paradies, wie es die Vorstellung suggeriert, ist also auch der Garten bei aller Schönheit nicht. In der Erotik der "Nachtblumen" kann auch die Apokalypse lauern. Gleichwohl kann die Künstlerin auf Bildern das "reine" Paradies erzeugen: Dort sind Liebende von buntschillernden Pflanzen und Vögeln umgeben, Menschen, junge und ältere, hellhäutige und braune, sind friedlich beieinander - als Ideal, für einen Moment. Daß in diese Harmonie künstlerisch auch Ereignisse wie der 11. September 2001 oder der Einmarsch der Amerikaner im Irak 2003 einbrechen, passt zur vitalen, aufs Ganze gerichteten Kunst der Malerin. Deren entscheidender Impuls dürfte ihr Wechsel von Deutschland in den Süden Frankreichs vor zwölf Jahren sein. Die Wärme, das Licht, die Menschen machten die "überquellenden" Bilder möglich. Das Haus in Tournecoupe, der Garten, die Märkte, die Stierkampfarnen oder die bei Autofahrten unter heißer Sonne erlebten Landschaften waren und sind Impulsgeber für die Neupositionierung der Künstlerin. Südfrankreich und das benachbarte Spanien, sicher auch die in diesem Umfeld zu entdeckende Kunst, beflügeln die Phantasie und stärken wohl die emotionale Kraft. Wenn mittlerweile im Schaffen zwar die Stierkampfarenen ein wenig in den Hintergrund getreten sind, so bleibt zu konstatieren, dass dieses Erlebnis und die Beschäftigung mit der den Stier- kampf tragenden "Philosophie" gewiß grundlegend waren für die "Neuaufstellung" der Malerin Elke Daemmrich, die zunächst mit konstruktiven Bildern bekannt wurde. Sie lernte die Welt anders sehen, als sie im Torero einen Verwandten des Künstlers entdeckte und im Stierkampf ein ästhetisches Ereignis. Er war eine Grenzerfahrung, die alle Sinne aufrührt. Vielleicht war es auch diese Sinneserfahrung, die sie als Frau zu diesem Thema finden liess. Vor allem eröffnete diese ihr wohl auch neue Perspektiven bei der Wahrnehmung von Natur, ja Welt überhaupt. Aus der ungewöhnlichen künstlerischen Handschrift Elke Daemmrichs spricht eine selbstbewußte Individualität. zurück Gunter Ziller, Dresden Laudatio zur Einzelausstellung in der Galerie am blauen Wunder, Dresden (Auszug), September 2004 ...Zu Beginn der neunziger Jahre arbeitet sie zusammen mit einem Kreis um den Leiziger Manfred Martin den Älteren, wobei sich ihre Malerei seit 1989 in konstruktive und konkrete Bereiche bewegt. Obwohl sie 1991 ein Besuch bei Max Bill in Zürich nachhaltig beeindruckt hat, sagt sie im Nachhinein von dieser Phase ihrer Entwicklung, sie habe "wie in ein schwarzes Loch gearbeitet und einen Ausgang daraus gesucht". Diese Worte charakterisieren gleichermaßen den kosmolo- gischen Anspruch des Konkreten wie die Tatsache, daß dieses ihrem Naturell fremd geblieben ist. 1993 gewinnt sie ...ein Stipendium der Stiftung Kulturfonds Berlin, das ihr zunächst einen halb- jährigen Arbeitsaufenthalt in der Provence beschert. Es entstehen phantastische Landschaften der Gebirge der Region in der Hitze mediterraner Farbigkeit. Gleichsam einer ausbrechenden Super- nova im Gegensatz zum Schwarzen Loch bekennt sie heute:"Für mich ging Malerei erst 1993 los". Seitdem hält sie der Süden Frankreichs fest, auf der Suche nach einer Wohnung ergibt sich ein Hauskauf im ländlichen Tournecoupe bei Toulouse, womit sie im Gers, dem Departement 32 der Republique Française ansässig wird. Hier formuliert und festigt sich der unverwechselbare Stil ihrer gegenwärtigen Malerei. Frühzeitig fasziniert von mittelalterlicher Kunst und der Graphik eines Goya entdeckt sie um 1985 mit der "Brücke" die deutschen Expressionisten für sich, ...den italienischen Futurismus, Sonia Delaunay und Max Ernst... Seit 1989 betreibt sie eine direkte Malerei, vorrangig Öl auf Leinwand, ausser der späteren Druckgraphik entstehen keine Arbeiten auf Papier mehr. Die Provence lässt ihre Malerei in nahezu Klimt'scher Geistesverwandtschaft in Farbigkeit und dekorativen Details explodieren, wobei die Kompositionen und das geistige Gewebe surrealer Paraphrasen auf Menschliches, Tierisches und Pflanzliches einen unverwechselbaren apokalyptischen Garten erblühen lassen. Ihre Malerei webt kostbare Teppiche in mediterranem Flair zwischen Orient und Okzident. 1996 gewinnt ein Bild Elke Daemmrichs den Ersten Kunstpreis des Kulturzentrum St. Jérôme in Toulouse anläßlich eines Wettbewerbs zum 800. Jahrestag von "Saint Sernin", der größten romanischen Kirche der Stadt. Der Namenspatron dieser Kirche, St. Saturnin, wurde von einem Stier zu Tode geschleift, so daß auf diesem Bild zum ersten Mal in ihrem Werk ein "Toro" auftaucht. Im gleichen Jahr findet sie in Castres, knapp 100 Kilometer südöstlich von Toulouse, das Goya Museum als Ausstellungsort, welches spanischer Kunst oder künstlerischen Projekten über Spanien gewidmet ist. Dies regt sie an zu einem längerfristigen Projekt über das urspanische Phänomen des Stierkampfes, das in der Kunst durch Picasso, in der Literatur durch Hemingway schon fest verankert ist. Davon zunächst eher abgestoßen, wird das in anderen Ländern stark umstrittene Phänomen nach intensivem Studium von Geschichte und Gegenwart desselben zu einem der wesentlichsten Themen ihrer Malerei. Neben der im Frühjahr 1999 in Castres stattfindenden Ausstellung hat der Direktor des Musée Goya die Edition einer graphischen Folge angeboten, was sie zu ihren Kupferstichen führt, gleichzeitig den ersten Druckgraphiken in ihrem Werk überhaupt. Diesen folgen später Linolschnitte und Radierungen. Es ist das Infernalische und Apokalyptische, das sie an den "Fiestas de Toros" als Parabel auf eine ebensolche Welt in gleichem Maße schaudern lässt wie fasziniert. Hier hat sie ihren Baudelaire, ihre "fleur du mal" gefunden! Wie auch die Janusköpfigkeit der Existenz nach einem Aufenthalt in New York 1999 den Bildern der noch unversehrten Stadt nach dem 11. September 2001 die Bilder des Infernos folgen lässt. Selbst in ihren scheinbar sanften Blumenbildern steckt das doppelte Gesicht des Dschungels dieser Welt. 2003 werden aus friedlichen "Tulpen", in denen sich der Zöllner Rousseau spiegeln könnte, aus floralen Strukturen des Wiener Phantasten Wolfgang Hutter unvermittelt "Brennende Tulpen"... Und in diesem Jahr versteckt sie "Im Garten Frankreichs" unter dem Dickicht lianenartigen Blattwerks einer phantastischen Vegetation ihr Selbstbildnis, das wohl zu den schönsten und faszinierendsten dieser Art seit Arcimboldo gehören muss, falls denn dieser eines gemalt haben sollte... zurück Hektor Lopez, Zaragoza, Spanien Katalogtext zur Einzelausstellung in der Escuela de arte, Zaragoza, 2002 Wenn ich mir die Photographien des Werkes von Elke Daemmrich wieder anschaue, fühle ich mich, als ob ich das erste Mal meine gravierte Stimme oder mein Bild im Video sehe, so als ob ich von außen mit einer Realität konfrontiert wäre, die ich gewöhnlich von innen betrachte. Wir können uns leicht vorstellen, dass die Sichtweise dieser deutschen Künstlerin, die sich in Frankreich etabliert hat, über bestimmte Aspekte unserer und anderer Kulturen neu ist. Diesem fügt sich ihre besondere plastische Syntax hinzu, ihre Art und Weise, ihre visuelle Sprache zu kontruieren, in welcher man Elemente verschiedener Tendenzen in einem charakterischen Konzept verarbeitet findet. Beginnen wir mit dieser fremden Mischung aus expressiven Haltungen und rationalen Optionen. Eine breite Palette ohne Zartheiten mischt sich mit einer Abscheu vor Leere und komplexen Kompo- sitionen. Der Pinselstrich beherrscht Details oder erweitert sich in einem agilen Strich, arbeitet am Überfluß der Mittel mit und erzählt von einer besorgten Frau, von unmittelbarer kommunikativer Notwendigkeit, tief und fast physisch. Und vor allem von einer kreativen Flut, welche, scheint es, die Autorin kaum modellieren kann - die Analyse zeigt nichtsdestoweniger eine tiefe Klarheit des Konzeptes - wenn die Idee engagierte Form annimmt. Es ist, als ob Elke Daemmrich mit dem intellektuellen Plan des Bildes in ihrem Geist die Schemen und Normen erarbeitet, die das Bild einnehmen werden, sich wie in einem mystischen Prozeß in die Kreation wirft, jetzt erlaubend, dass der Prozeß zur Realität wird. Wenn Malerei einerseits das Phänomen in Teilbereichen darstellt, andererseits fundamentales Element ist, können wir versuchen, die Botschaft zu erkennen, die durch den plastischen Effekt und sein entsprechendes ästhetisches Vergnügen lebt. Portraits von Toreros, Stierbilder oder die Vision von New York als reine ökonomische Referenz und das besondere Leiden, welches die Attentate des 11. September 2001 verursachten, erzählen uns eine Serie von Mythen, antiken und modernen, die wieder neu im Licht erstehen. Damit die Kultur, von der man trinkt, alle Ausdrucksformen, die wir handhaben, tief zugrunde legt. Für mich taucht Elke Daemmrich in unsere Mythen ein und interpretiert sie von weit weniger entfernten Positionen, die ihre Herkunft und Erziehung vermuten lassen, nichts lateinisches und nichtsdestoweniger ausreichend weit entfernt von unseren selbstgefälligen Stereotypen - immer sind wir wohlwollend, wenn wir uns selbst beurteilen - damit wir mit einer Maske falscher Ironie, die unsere Mundwinkel schmückt, fähig sind, uns in unserem Gewissen ohne Filter wiederzuerkennen, was uns erlaubt, mit uns selbst zu leben; das was einer meiner Freunde "Honigkruste" nannte und was Realität tolerabler macht. Und wir denken mit Distanz und ohne direkte Beziehungen an Goya, an Lorca oder an Cervantes. Das ist Elke Daemmrich, mit den Riesen kämpfend, Ideen und Gefühle angreifend, unüberwindbare Barrieren und damit verbunden unveränderliche Stereotypen wegwerfend. Es ist der Mühe wert, sich mit diesem magischen Spiegel auseinanderzusetzen, wo wir selber entscheiden, ob wir die Wahrheit annehmen oder ob wir den selbstgefälligen Betrug bevorzugen. Es ist auch nicht so, daß sie im Besitz der absoluten Wahrheit ist, aber die Frische ihrer Arbeit, die Originalität ihrer Heran- gehensweise, ihre Unschuld und dadurch schonungslose Aufrichtigkeit, verpflichten uns zum Vergnügen des Auges, als auch zur intellektuellen Analyse. Mit Sicherheit ist die Übung der Mühe wert. zurück Copyright by Elke Daemmrich |
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